Wolf-Dieter Storl
Bio-Ethnologe und Selbstversorger-Ikone
Zu Gast bei mir im Podcast ist heute der Mann, der mich vor einigen Jahren überhaupt erst dazu inspiriert hat, es mit dem Gemüseanbau und der Selbstversorgung zu probieren: Deutschlands bekanntester Selbstversorger, der Ethnobotaniker und Kulturanthropologe Wolf-Dieter Storl. Ich freu mich so, dass Sie mein erster Gast sind!
Ja, ich freu mich auch!
Ich durfte Sie vor einigen Jahren interviewen, weil Sie ein neues Buch zum Thema Selbstversorgung geschrieben hatten. Das hat mich so inspiriert, dass ich es dann auch mal probieren wollte mit dem Gemüseanbau. Was wächst denn jetzt im März auf Ihrem Bergbauernhof?
Bei uns wächst eigentlich noch nichts. Die Haseln haben gerade angefangen zu blühen und es liegen noch ungefähr fünf Zentimeter Schnee auf den Beeten. Da fängt noch nix an, aber das ist nicht schlimm. Später im Jahr, wenn es wärmer wird, ziehen sich die Pflanzen da durch. Ich fange immer später im Jahr an, wenn es wirklich warm ist, denn wenn es einen Kälteschock gibt, hören die Pflanzen auf zu wachsen und warten erstmal, haben Angst und sind dann anfälliger, ihr Immunsystem ist anfälliger. Aber wenn sie gut zügig durchwachsen, sind sie weniger schädlingsanfälliger, wachsen voller, deshalb fange ich lieber ein bisschen später an. Das ist von Ort zu Ort und Landschaft zu Landschaft verschieden, wann man anfängt.
Ich warte auch immer gerne bis nach den Eisheiligen, weil man dann ja ein bisschen sicherer sein kann, dass das jetzt auch was wird. Im vergangenen Jahr konnte ich es nicht abwarten und habe schon früher angefangen, weil wir so viele schöne sonnige Tage hatten in Hamburg. Und dann ist genau das passiert, was sie gerade gesagt haben: Die Pflanzen haben einfach ihr Wachstum eingestellt, haben sich nicht weiterentwickelt und ich konnte dann drei Wochen später nochmal alles von vorne machen.
Ja, es gibt einige Sorten, die kann man schon früher pflanzen, das sind kälteresistente Pflanzen wie Kohl, auch Möhren und Pastinaken, die kann man schon säen. Die Favabohnen, das sind die Saubohnen, die dicken Bohnen, die können auch Kälte vertragen. Aber wenn es zu Zuckermais, Tomaten, Kürbissen, Gurken und dergleichen kommt, da sollte man es vergessen, die verzeihen einem das nie. Deswegen ist es eine gute alte Regel, bis nach den Eisheiligen zu warten.
Wenn es von Region zu Region unterschiedlich ist in Deutschland. Wann können Sie denn dann so richtig loslegen im Garten auf dem Bergbauernhof? Wieviele Höhenmeter haben Sie da?
Fast 1000. Aber wie gesagt, es liegt jetzt noch Schnee. Ich fange an, die Beete zu beackern, sobald ich umgraben kann. Das Umgraben ist für mich wichtig, weil wir einen relativ schweren Boden haben und er muss durchlüftet werden. Das Düngen mit Kompost, das mache ich auch noch vorher, damit ich dann schnell aussäen und die kleinen Setzlinge pflanzen kann.
Einige sagen ja, man darf den Boden gar nicht mehr umgraben. Man soll die Schichten so lassen, weil man diese ganzen Mikroorganismen nicht stören soll in ihrem schichtweisen Aufbau. Wie stehen Sie dazu?
Das sind so Ideen, die irgendwelche Intellektuellen haben, die keine Erfahrung haben. Das sind schöne Ideen, aber in Wirklichkeit, wenn man umgräbt oder ackert, dann sterben zwar diese Mikroorganismen, aber sie düngen auch. Wie alle Mikroorganismen vermehren die sich wahnsinnig schnell und diese Schichten werden wiederhergestellt. Es ist vielleicht auf großen Äckern problematisch, wo Glyphosat und Chemikalien verwendet werden. Aber in einem biologischen Garten, da kann man ruhig umgraben. Wenn es Sandboden ist, braucht man das vielleicht nicht, dann kann man den Boden eigentlich nur lockern. Das gilt aber nicht, wenn man schweren Boden hat oder einen lehmigen Boden.
Wissen Sie noch, wie alt Sie waren, als Sie Ihr erstes Gemüse gepflanzt haben?
Ja, das war in den Nachkriegsjahren, das muss 1953 gewesen sein. Da habe ich so ein kleines Stück Erde von Schutt befreit und habe Kohl und ein paar Möhren und so rein gepflanzt. Die gediehen so gut, dass die Hausbesitzerin, das war in Oldenburg, dachte, ich hätte aus ihren Beeten Erde geklaut, das war aber nicht der Fall. Auf dem Schulweg habe ich Pferdeäpfel geholt, damals gab es viele Pferde, weniger Autos. Und diese Pferdeäpfel habe ich in die Erde eingearbeitet und das wuchs so gut, da war ich richtig stolz, dass ich mal ein Essen auf den Tisch bringen konnte.
Wie alt waren Sie denn da, 1953?
Ich war ungefähr 10 Jahre alt.
Wie kommt man mit 10 Jahren darauf, Gemüse zu säen?
Na ja, es war in der Nachkriegszeit, wo das Essen knapp war und wir kamen aus der Ostzone, also der sowjetischen Besatzungszone. Wir haben echten Hunger erlebt und deswegen war es mir wirklich wichtig. In unserer Familien-Villa wurden alle Wiesen umgeackert, damit man überhaupt Gemüse pflanzen konnte, das hat sich eingeprägt bei mir. Deswegen kam ich auch auf die Pflanzen, glaube ich. Das einzig Wichtige damals war: Was kann man essen? Auch von den Wildpflanzen.
Das zieht sich durch Ihr ganzes Leben und durch Ihr ganzes Werk, dass Sie sich eigentlich immer fragen: "Was kann ich alles essen?", oder?
Genau – und man kann mehr essen, als man denkt. Sehr viele sogenannte Unkräuter sind eigentlich essbare Wildpflanzen oder wenigstens Gewürze und sehr vitaminreich, weil sie nicht überzüchtet sind. Da hat man nicht nach Farbe und Größe gezüchtet, sondern die haben noch ihre Urkraft in sich.
Sie haben Botanik studiert, zahlreiche Reisen und Feldforschung unternommen, wissenschaftlich gearbeitet, von alteingesessenen Bauern gelernt, von Medizinmännern. Sie haben selbst an unterschiedlichen Universitäten gelehrt. Wenn Sie Ihr ganzes Wissen in einen Satz über die Natur packen müssten, wie würde der lauten?
Was mir spontan einfällt: Die Natur ist weiser, vielfältiger, als wir uns denken können. Wir nehmen mit unserem Primatenhirn nur ein kleines Spektrum auf und wenn man ein bisschen in die Meditation geht oder sich Zeit nimmt, dann merkt man: Da ist viel mehr in der Natur, viel mehr Weisheit, und man lernt, wie das alles so schön zusammenhängt.
Sie schreiben ja auch Bücher über Heilkräuter und Zauberkräuter. Überhaupt habe ich als pragmatische Steinböckin immer das Gefühl, dass die Mystik auch eine ganz große Rolle spielt bei Ihnen, das Metaphysische. Ist das so oder würden Sie das ganz anders beschreiben?
Ich bin durch meine Arbeit als Ethnologe darauf gekommen und habe gesehen, wie die Indianer oder die Inder in Nepal die Welt der Pflanzen und der Natur anders sehen, als erweitertes Bewusstsein betrachten. Ich kannte einen alten Bergbauern, der war anthroposophisch orientiert, aber er war ein richtiger Bauer und da kommt man aus den engen Grenzen, die uns die Naturwissenschaft gibt, heraus. Da springt man ein bisschen weiter hinaus.
Inwiefern? An welchen Stellen springen Sie heraus?
Es ist, wie wenn man Menschen erstmal zum Beispiel nur als Mann oder Frau wahrnimmt. Aber wenn man mit diesem Menschen spricht und wenn man in dessen Augen schaut als Fenster der Seele, dann ist es auf einmal mehr als ein flüchtiges Kennenlernen. So ist es auch mit der Natur, wenn man beispielsweise eine Blume anschaut. Die meisten, die haben dann ein Bestimmungsbuch und sagen, das ist eine Kresse, fertig, ich kenne es jetzt. Aber wenn man sich hinsetzt mit der Kresse und realisiert: In diesem Augenblick ist es das erste Mal, dass ich das gesehen habe, das ist einmalig. Umso mehr man sich dann mit der Kresse befasst, umso mehr sieht man. Man versteht das nie im Ganzen. Es ist in jeder Pflanze, in jedem Wesen, ein ganz tiefes Mysterium. Ein Gärtner muss sich mit seiner Seele mit dem Garten verbinden und nicht nur mit seinem Kopfwissen. Das funktioniert zwar auch, aber es ist kalt. Die Seele muss mit dabei sein und mit der Seele nimmt man dann auch die Beseeltheit der Natur wahr. Als Allererstes bei den Tieren, denn sie reagieren ja sehr schön auf uns – Hühner sind zum Beispiel wunderbar im Garten.
Oh ja, da bin ich ganz Ihrer Meinung! (lacht)
Die Leute wissen gar nicht, was das für schöne Tiere sind.
Das stimmt.
Nicht nur schenken sie uns Hühnereier und, es kommt drauf an, ob man vegan ist oder so, einen schönen Hühnerbraten am Sonntag…
Um Gottes Willen, Herr Storl! (lacht)
Naja, muss ja nicht sein, aber auch in einem anderen Bereich: Die Hühner machen einen wunderbaren Dünger. Hühnermist ist sehr phosphorhaltig und das unterstützt die Fruchtbildung und die Samenbildung bei den Pflanzen. Und er hat viel Stickstoff, was auch wichtig ist.
Es gibt ja einige, die sagen, Hühnerdung ist ein bisschen zu scharf. Es ist dann besser, wenn man Pferdeäppel zum Beispiel nimmt, die man ein bisschen liegen gelassen hat. Wie sehen Sie das?
Es kommt drauf an. Jede Art von Mist düngt, man muss nur richtig damit umgehen. Hühnermist kann vergoren werden, man nimmt das nie roh. Vergoren werden oder, wenn es solide ist, dann gemischt mit entweder anderen Düngern oder mit Stroh und dergleichen, und das ist ein hervorragender Dünger. Pferde sind Grasfresser und düngen anders. Sehr interessant ist Schweinemist, gut kompostiert, weil die Schweine in der Erde wühlen und ihr Dung die Wurzelgemüse gut nährt. Das habe ich bei einem Meistergärtner gelernt, wo ich drei Jahre lang war – mit meiner damaligen Arroganz als Wissenschaftler. Er hat mich zurückgeführt auf dieses Phänomen. Da haben wir gesehen, die Miste düngen unterschiedlich und man muss sie gut kompostieren oder für Jauchen verwenden. Da hat man Fässer mit Regenwasser und dann kommt Jauche rein. Oder man nimmt Pflanzen, die von sich aus viel Stickstoff haben, wie die Brennnessel, Kohl oder Beinwell. Das kann man dann Verjauchen und als Zusatzdüngung zur Stärkung von Starkzehrern nehmen. Das sind die stickstoffhungrigen Pflanzen wie Zucchini, Kohl, Tomaten usw. Dann ist das sehr gut.
Sie haben vorhin gesagt, dass alles miteinander verbunden ist. Damit meinen Sie ja auch den Kreislauf, den sie gerade beschrieben haben: Man hat Tiere im Garten und deren Ausscheidungen kann man wieder als Dünger benutzen. Das, was dann wächst, können die Tiere wieder fressen. Das zeigt ja auch, wie alles miteinander verbunden sein kann, wenn man es zulässt. Und Sie sagen, auch die Mondphasen spielen eine gewisse Rolle, weil auch wir natürlich irgendwie mit dem Kosmos verbunden sind. Welche Rolle spielen die Mondphasen denn? Ich frage, weil ich als pragmatische Steinböckin die Mondphasen noch nie beachtet habe. Es hat aber trotzdem funktioniert in meinem Garten...
Ja meistens funktioniert das. Das wird auch oft übertrieben mit dem Mond, weil es ein bisschen pseudowissenschaftlich ist. Wichtig sind die Mondphasen, das heißt, zwischen Neumond und Vollmond sind die Pflanzen, die Samen, keimfreudiger. Dagegen gibt es weniger Aktivität bei Neumond – da kann man eher jäten oder Büsche schneiden. Was auch wichtig ist für viele Gärtner: das Mondzeichen. Das ist ja nicht synchron mit den Phasen. Das Mondzeichen zeigt an, in welchem der zwölf Tierkreis-Regionen sich der Mond gerade befindet. Da gibt es die Maria Thun, die einen Kalender herausgegeben hat, an den halten sich viele ganz strikt.
Sie auch, Herr Storl, halten Sie sich auch daran?
Ein bisschen, wenn‘s geht. Es gibt auch noch andere Gegebenheiten, ob der Mond über der Ekliptik ist oder unter der Ekliptik, das ist dann der drakonische Mond, so heißt das. Und dann, ob der Mond aufsteigend oder absteigend ist. Da gibt es viele Unterschiede und wenn man auf den richtigen Moment wartet, wo alles stimmt, da können Monate vergehen. Da ist es besser, finde ich, man nimmt den Mond zwar wahr und versucht sich einzustimmen. Aber im Grunde genommen: Wir haben ja einen inneren Instinkt. Wenn man mit dem Garten verbunden ist, hab ich den Eindruck, der Garten und die Pflanzen sagen einem, was sie zu der Zeit brauchen und die sagen das einem wirklich. Ich habe das als Gärtner immer gemerkt. Das geht bis in die Nacht, da träumt man manchmal, dann sagt eine Pflanze: ‚Hey, aber heute musst du dich um mich kümmern‘ – und das hat immer wunderbar funktioniert. Man darf das nicht als abstrakte Wissenschaft nehmen, sondern wir sind eingebunden in den Garten, sind verbunden mit der Seele des Gartens. Die Beseeltheit des Gartens, das sind die Blumen. Deshalb habe ich in meinem Gemüsegarten immer was Blühendes, dann freuen sich die Bienen und die Insekten, die sind ja beseelte Wesen, das macht eine freudige Atmosphäre. Wenn da Vögel sind usw., das ist auch alles wunderbar – oder Igel. Wie die biodynamischen Bauern sagen: Ein Garten oder ein Hof ist wie ein Organismus und jeder Teil, die Insektenarten, die Frösche, die Lurche, die da durchhüpfen in der Nacht, das sind die Organe dieses Organismus. Wir Menschen dürfen da mitmachen, wir sind wie das organisierende Gehirn. Gärtnern kann ein mystisches Erlebnis sein und es tut dem Körper gut: frische Luft, Bewegung usw. Es tut der Seele gut, weil wir immer wieder verwöhnt werden von den Farben und den Klängen und Düften…
Da, das stimmt. Dieses sinnliche Vergnügen, das man da empfindet, das macht was mit einem.
Ja, es ist eine Sinnlichkeit und dann nährt uns der Garten auch noch. Das ist so wie: ‚Hey, danke für die Aufmerksamkeit. Hier sind noch ein paar Möhren!‘
Ich versuche als Anfängerin immer, mir die Leitsätze rauszuziehen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sagen Sie: Selbst wenn ich mich nicht an die Mondphasen halte und mir jetzt nicht auch noch den Maria Thun-Kalender zulegen möchte, kann ich auch einfach auf meinen Bauch hören. Denn wir sind so mit der Natur verbunden, dass wir - wenn wir offen sind - irgendwie spüren, wann die richtige Zeit ist?
Genau, sagen wir mal, dieser Kalender sagt: Heute ist ein guter Erd-Tag, gut für Wurzeln. Da sollte man im Garten dann an den Wurzeln arbeiten. Aber sagen wir mal, an dem Tag regnet es und man kommt nicht raus. Dann sollte man sich einfach an die Gegebenheiten anpassen, das ist alles kein starres System.
Was wäre ihr wichtigster Rat für Anfängerinnen und Anfänger?
Einfach anfangen. Man fängt kleiner an, muss sich verbinden, braucht eine Übersicht. Wie Du sagtest, beginnt man am besten mit Radieschen, das ist ein kinderleichtes Motivations-Gemüse (lacht). Es ist eigentlich eine uralte Kunst. Wir haben da sozusagen ein morphogenetisches Feld und instinktiv wissen wir schon sehr viel. Über die Jahre verfeinert sich das. Die alten Gärtnerinnen und Gärtner, die strömen ihre Weisheiten aus, aber die haben auch mal ganz einfach angefangen und man kann nicht wirklich etwas falsch machen. Die Natur sagt uns alles, was wir wissen müssen, die Pflanzen sagen: ‚Hilfe, ich kriege jetzt gelbe Blätter!‘
Ich hab‘ Hunger! (lacht)
Genau! ‚Gib mal ein bisschen Zusatzdüngung, vielleicht Brennnesseljauche!‘ Oder: ‚Nein, eine Schaufel Kompost!‘
Oder Pferdeäppel, gut abgelagerte.
Ja genau, am besten kompostierte. Als kleiner Junge wusste ich das alles nicht, aber es hat trotzdem gut funktioniert. Es wuchs so wunderbar, dass die Nachbarn wie gesagt dachten, ich klaue denen die Erde.
Spätestens jetzt wissen Sie, dass da durchaus ein Talent für das Gemüse ziehen in Ihnen drin ist. (lacht)
Es ist nicht nur ein Talent, sondern es ist, dass man die Seele damit verbindet. Denn das ist auch eine formgebende Kraft, kann man sagen. Wenn man etwas liebt, gedeiht es, wenn man etwas liebt, versteht man es. Paracelsus sagte, man versteht in Wirklichkeit nur das, was man liebt. Das ist natürlich eine Absage von allen möglichen grausamen Experimenten, die gemacht werden, aber die Natur ist nicht stumm. Auf ihre Weise redet sie mit uns und wir reagieren dann. Das ist ein Dialog. Wenn man nur im ganz materialistischen Sinne denkt, das sei dumme Materie, liegt man falsch. So ist es nicht, es ist wie bei Haustieren, Hühnern, die reagiere auf unsere Gefühle und wie ich sagte, Hühner sind ganz, ganz besonders schön.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum das bei mir ganz gut funktioniert hat, obwohl ich keine Ahnung hatte vom Gemüseanbau: weil ich mit Liebe rangegangen bin. Zwar ohne Metaphysik, weil ich so pragmatisch bin. Aber ich liebe dieses Leben auf dem Land und wenn ich raus gehe in den Garten, dann sauge ich das auf und feiere das so sehr, weil es so schön ist. Möglicherweise gibt es dann ein gutes Feedback von der Natur.
Das ist ja im Grunde genommen wahre Metaphysik, das heißt, es geht über das enge physikalisch Messbare, Wägbare hinaus, das ist dieser Dialog. Oft sind das, was als Metaphysik gilt, irgendwelche verschrobenen schöngeistigen Ideen, die hören sich gut an, haben aber wenig Bezug zur praktischen Wirklichkeit.
Auch wenn es in diesem Podcast um Obst und Gemüse geht: Könnten Sie uns noch einen Tipp geben, welche Heilkräuter man sich in den Garten holen sollte?
Sehr gut ist Kamille, man sagt: Lieber Kamille als Pille.
Wieso lieber Kamille als Pille? (lacht) Wogegen hilft die?
Ich habe ein Büchlein: 500 Rezepte, wie man die Kamille anwenden kann. Die ist ja sehr entzündungswidrig, vor allem das. Bei mir wächst sehr viel Kamille, aber ich habe sie nie ausgesät. Die wächst auf den Wegen zwischen den Beeten, als ‚Unkraut‘. Wir sammeln das dann und man muss wirklich aufpassen, denn die Kamille liebt uns, wer weiß warum. Da kann man mystisch werden, denn das war das Lieblingskraut meiner Großmutter und hat immer viel geheilt. Vielleicht haben wir deswegen so viel davon. Aber sehr viele der Begleitkräuter, der sogenannten Unkräuter, sind sehr hilfreich, wenn man sie richtig kennt, wie der Persische Ehrenpreis. Der ist beispielsweise gut bei Hautproblemen, unreiner Haut. Der Breitwegerich ist stark wundheilend und blutstillend und das ist nicht nur eine Theorie, das benutze ich ja auch. Ich hab mir einige Kräuter in den Garten gebracht, also Heilkräuter, aber im Grunde genommen hole ich die mir in der Wildnis, wo sie am liebsten wachsen, also am Waldrand und an Wegrändern. Nur aus Interesse habe ich zum Beispiel Goldrute in den Garten geholt, die kann man benutzen, wenn man Nierenprobleme hat und so weiter. Wie Paracelsus und die alten Weisen sagten: ‚Lasst euren Garten eure Apotheke sein.‘ Das kann man sehr gut machen. Man muss aber wissen, was man tut.
Jetzt haben Sie gerade gesagt, da gibt es ein Kraut gegen unreine Haut. Das interessiert mich, weil ich persönlich in folgendem Zustand bin: schon Falten, aber noch Pickel (lacht). Also, was muss ich mit dem Kraut machen?
Sehr gut wäre Brennnessel, die reinigt von innen. Vielleicht Leberkräuter, das ist auch gut zum Reinigen. Da wäre die Zichorie, die Wegwarte, gut als Tee. Dann ist Gänseblümchen gut und Ehrenpreis, es gibt eine ganze Menge Kräuter, die da helfen können.
Was Sie alles wissen, Wolf-Dieter Storl. Ich bin immer wieder begeistert, wenn ich die Chance habe, mit Ihnen zu sprechen und einen Eindruck bekommen kann von dem, was sie alles an Wissen gesammelt haben über Heilkräuter, über Pflanzen, über den Gemüseanbau. Ich bin ganz glücklich, und ich glaube, die Hörerinnen und Hörer dieses Podcast auch, dass Sie der erste Gast waren. Danke für das Gespräch!
Es war mir eine Ehre, danke!
Und ich hoffe, dass wir uns noch mal verabreden können für ein Gespräch.
Meinerseits geht das, ja wäre schön. Ich wünsche Ihnen ein schönes, fröhliches, freudevolles Gartenjahr!
Wunderbar, vielen Dank, Wolf-Dieter Storl!
Tschüss!
Das Gespräch mit Wolf-Dieter Storl stammt aus Podcastfolge #3 und kann hier nachgehört werden.